Ludwigsburger Kreiszeitung

„Sehen uns als Verein für die Region“

Ein Pünktchen aus zwei Spielen, dann hat es die SG BBM Bietigheim geschafft: Nach harten Jahren des Aufbaus steht der Handball-Zweitligist aus dem Ellental bereits mit einem Bein in der Bundesliga. Noch nimmt das Wort Aufstieg niemand in den Mund. Trotzdem hat Geschäftsführer Timo Schön ein Konzept für die stärkste Liga der Welt parat. „Irgendwann werden wir uns mit den Großen messen“, sagt er im LKZ-Gespräch.

Äußerlich wirkt der 39-jährige Sportökonom, der die Geschicke der SG BBM seit 2007 hauptamtlich lenkt, gelassen. Doch je näher der vorletzte Spieltag am kommenden Samstag (18 Uhr) gegen den Tabellendritten HC Erlangen rückt, desto mehr steigt auch bei Timo Schön das Fieber.

Herr Schön, in Leipzig haben sie den Aufstieg bereits abgeschrieben. Sie dagegen sind mit der SG schon in Aufstiegslaune?

Timo Schön: Die Euphorie ist da, allerdings müssen wir erst den Punkt holen, der uns fehlt. Wir haben noch zwei schwere Spiele. Erlangen will auch aufsteigen und alles daransetzen, die Punkte mitzunehmen. Aber auch das Derby gegen Bittenfeld wird für uns mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Wir konzentrieren uns zuerst auf das Sportliche.

Die SG BBM hat schon öfters ans Tor zur Bundesliga geklopft. Ausgerechnet jetzt scheint es zu gelingen. Wie erklären Sie das?

Man muss dafür weiter zurückblicken. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln, Vor der Saison haben wir einen Wechsel auf der Trainerbank vorgenommen, nicht etwa, weil Jochen Zürn schlechte Arbeit gemacht hat. Aber wir können jetzt auch morgens dreimal trainieren, in der Vorbereitung sogar viermal. Und das zahlt sich aus. Es ist unser Vorteil, dass wir zum Ende des Spieles immer noch zulegen können, während die anderen eher nachlassen.

Sie hatten aber große Verletzungssorgen.

Es war bei den vier Langzeitverletzten nicht unbedingt zu erwarten, dass wir bis zum Schluss ganz vorne mitspielen können. Nach der Verletzung von Christian Heuberger war die Saison für uns eigentlich erledigt. Umso schöner ist es, dass wir dabei sind. Es zeigt aber auch, wie wichtig unsere Nachwuchsarbeit ist. Spieler, die aus der zweiten Reihe kommen, haben sich nahtlos eingefügt und der große Vorteil ist, dass wir eine Mannschaft auf dem Platz haben.

Der Trainer gilt als handballverrückt. Wie hat sich Hartmut Mayerhoffer eingebracht?

Wir sind absolut zufrieden. Er wird auch von den Spielern hoch angesehen. Er ist sehr professionell und immer gut vorbereitet, überlässt nichts dem Zufall und hat klare Vorstellungen, wie er Handball spielen möchte. Man erkennt klar seine Handschrift.

Wie nehmen die jungen Spieler die Philosophie des Trainers an?

Ein Beispiel: Tim Dahlhaus. Er sagt, das was wir hier haben, das gab es bei seinem alten Verein in Hamm nicht. Da gab es eine Gruppe, das waren die Alten, und eine, das waren die Jungen. Hier ist es egal, ob du alt oder jung bist, hier ziehen alle an einem Strang. Das ist unser großes Glück. Spieler wie Patrick Rentschler oder Marco Rentschler, der für Christian Schäfer kam, haben sich enorm weiterentwickelt.

Die neue Ballsporthalle ist in weiter Ferne. Macht ein Aufstieg den Bau wahrscheinlicher?

Die Halle ist natürlich ein ganz wichtiges Thema, vor allem auch wegen der Trainingsmöglichkeiten. Wir hoffen, dass der Erfolg etwas Bewegung in die Sache bringt und dass zumindest die Grundsatzentscheidung fällt. Dann könnten wir planen und wüssten, dass es auch von städtischer Seite aus weitergeht.

Vorausgesetzt, Sie steigen auf. Wo ist Ihr künftiger Spielort?

Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder die MHP-Arena oder die Ege Trans-Arena. Momentan laufen die Gespräche. Die Hallenbelegung macht es etwas schwierig zu planen.

Sollten Sie in Ludwigsburg spielen, wäre dann auch die Akzeptanz beim Publikum da?

Die bisherigen Veranstaltungen hatten eine gute Resonanz. Es kommen die Zuschauer aus der gesamten Region und wir sehen uns auch künftig als ein Team für die Region.

Wie planen Sie langfristig?

Momentan haben wir natürlich das Ziel hochzugehen. Aber auch wenn wir es jetzt nicht schaffen, werden wir nächstes Jahr den nächsten Anlauf nehmen. Man kann einen Aufstieg nicht planen, aber man kann die Weichen stellen und sagen, wir wollen in die Richtung. Irgendwann werden wir uns mit den Großen messen.

Schaffen Sie den Aufstieg schon am Samstag?

Ja, ich bin fest davon überzeugt.



Für den Strategen schließt sich der Kreis
Timo Salzer zog von Asperg hinaus in die Handball-Welt und ist nun als Kapitän der SG zurück

Der Terminvorschlag vormittags um 9.45 Uhr passt Familienvater Timo Salzer bestens ins Konzept. „Da ist die Große im Kindergarten, der Kleine in der Krabbelgruppe“, konstatiert der Spielmacher der SG BBM Bietigheim und ist wenige Tage vor dem ersten Matchball zum Aufstieg in die Handball-Bundesliga gerne bereit, über Stationen und Wegbegleiter seiner Karriere zu erzählen.

Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass Timo Salzer daheim im elterlichen Haus in der Stuttgarter Straße in Asperg stolz die Goldmedaille präsentierte, die er mit dem deutschen Junioren-Nationalteam bei der Europameisterschaft errungen hatte. Einer seiner Mitspieler damals hieß Christian Heuberger, heute ein Teamkollege bei der SG BBM.

Zum Handball ist Salzer durch seine Schwester Tanja gekommen, die ihn „zum TSV Asperg mitgeschleift hat“. Dort lief er in der E-Jugend erstmals Trainer Severin Englmann über den Weg, der die Entwicklung des Talents ebenso nachhaltig beeinflusste wie später den Erfolgsweg des Bietigheimer Handballs.

In diversen Auswahlteams spielte sich Salzer ins Rampenlicht, bis er über die Zwischenstation VfL Waiblingen beim TV Kornwestheim in der 2. Bundesliga landete. Auch von Trainer Thomas König hat der Rechtshänder viel gelernt. Nicht lange dauerte es, da klopfte die 1. Bundesliga an. Von 2006 bis 2012 spielte Salzer für die HSG Wetzlar. „Von Anfang an habe ich viel Spielanteile bekommen“, erinnert er sich an heiße Kämpfe in einer Stadt, in der Handball enormen Stellenwert genießt.

2006 flatterte Salzer eine Einladung von Bundestrainer Heiner Brand in den Kreis der Nationalmannschaft ins Haus. Elf Länderspiele hat er für Deutschland bestritten.

Stets spürte Timo Salzer aber auch, „dass nur Handball auch nicht die Erfüllung ist“. Parallel zum Leistungssport studierte er in Wetzlar vier Jahre Betriebswirtschaftslehre und absolvierte ein längeres Praktikum bei einem Bauträger.

„Und ich hatte das Glück, dass ich vor drei Jahren Papa geworden bin“, merkt er mit leuchtenden Augen an. Seine Frau Kathrin, früher ebenfalls Bundesligaspielerin, hat mit der kleinen Vesna und dem einjährigen Sohn Tian nun daheim volles Programm. Die Hessin ist in Löchgau schnell heimisch geworden, wo sich die junge Familie ein eigenes Häuschen gekauft und von Grund auf renoviert hat.

Die Rückkehr ins Schwabenland bot Timo Salzer die Chance, bei der SG BBM noch einmal mit seinem „kleinen Bruder Thorsten zusammenzuspielen“ (der ihn mit 1,93 Meter um fünf Zentimeter überragt). Es sieht so aus, als würde sich für den Strategen mit der Nummer 8 am Samstag in der Viadukthalle mit der Rückkehr in die Eliteliga der Kreis schließen.

Timo Salzer ist der Leader eines Teams, das Coach Hartmut Mayerhoffer „super eingestellt“ hat. Der 30-Jährige glänzt als Ideengeber und Torschütze, sagt aber auch: „Da ist schon noch Luft nach oben.“ Die Bundesliga kann also kommen.

Unvergessenes Herzschlagfinale führt SG auf den Weg in die Spitze

Der Weg in die stärkste Liga der Welt hat eine bewegte Geschichte. Gelingt der Sprung ins Oberhaus, wäre Bietigheim neben Berlin und Göppingen bundesweit der einzige Standort, der ein Männer- und ein Frauen-Team in der 1. Liga am Start hat.

Die Erfolgsgeschichte der Bietigheimer Handballer begann in den Niederungen der Landesliga im Jahr 1997 mit dem Zusammenschluss der Stammvereine TSV Bietigheim und dem TV Metterzimmern zur SG Bietigheim-Metterzimmern. Nur sieben Jahre später hatte sich die SG unter der Regie von Vorstand Claus Stöckle (früher selbst ein erfolgreicher Handballer) in die Regionalliga hochgearbeitet.

Der erstmalige Sprung in die 2. Bundesliga Gruppe Süd gelang den Ellentälern im Jahr 2005 unter Trainer Severin Englmann. Unter den SG-Fans unvergessen bleibt das Herzschlagfinale beim TV Kirchzell. Mit 7:14 lag Bietigheim beim Mitkonkurrenten zurück, ehe Teufelskerl Ergin Toskic seinen Kasten vernagelte und Thorsten Salzer mit seinem achten Treffer das für den Aufstieg ausreichende Remis rettete.

Ähnlich dramatisch verlief die erste Zweitligasaison 2005/2006, in der sich die SG erst in letzter Sekunde durch ein Tor von Christian Heuberger zum 28:26-Sieg gegen HSG Gensungen/Felsberg vor dem Abstieg rettete. Während Bietigheim als Neuling ums Überleben in der Bundesliga kämpfte, hatte der TV Kornwestheim als Dritter und die TSG Oßweil als Sechster die Nase im Kreis vorne. Im Juli 2007 wurde die Spielgemeinschaft durch die Fusion mit der SpVgg Bissingen zur heutigen SG BBM Bietigheim, das für Bietigheim-Bissingen-Metterzimmern steht, erweitert. Nach dem erneuten siebten Platz in der Saison 2007/2008 übernahm Uwe Rahn aus Weinheim das Zepter unter dem Viadukt. Als nach dem vierten Platz 2008/2009 der sechsfache Familienvater ein Jahr später die Erwartungen nicht erfüllte, wurde Rahn von seinem Co-Trainer Jochen Zürn abgelöst. Mit dem Ludwigsburger als Chefcoach gelang der SG mit der Qualifikation für die ab der Saison 2011/12 neu eingeführte eingleisige 2. Liga die nächste Etappe auf dem Weg zu den bundesweit besten 36 Mannschaften.

Nicht alle SG-Fans waren einverstanden, als die SG-Verantwortlichen im Dezember 2012 Zürn mitteilten, dass sein Vertrag trotz erfolgreicher Arbeit am Ende der Saison nicht verlängert wird. Die Chefetage hatte sich für den Zweitliga-Novizen Hartmut Mayerhoffer entschieden, der das Vertrauen mit dem möglichen Erstliga-Aufstieg zu einhundert Prozent erfüllte. Eine der Hauptaufgaben des 44-Jährigen wird sein, noch mehr Spieler aus der eigenen Jugend an die Bundesliga-Mannschaft heran zu führen.

Die Voraussetzung bei dem 5000 Mitglieder zählenden Verein ist glänzend. Neben 11 aktiven Teams, jagen 30 Jugendmannschaften mit 500 Sportlerinnen und Sportler an der Stadt an Enz und Metter dem runden Leder nach.

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