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Finanzkrise im Hallensport
Lohnverzicht und Notfonds

Von Ulrich Hartmann

Der Start der Hallensaison offenbart Finanzprobleme bei Sportarten wie Basketball, Volleyball oder Eishockey. Verantwortliche und Profis müssen mit Verlusten rechnen. Am besten ins Bild der leidenden Sportbetriebe passte die Nachricht, die Kölner Haie hätten nach den verpassten Playoffs im Frühjahr Kurzarbeit für ihre Eishockey-Profis beantragt. Dass so ein durchaus ins Kalkül gezogener Antrag nur für die 15 Mitarbeiter der Geschäftsstelle gegolten hätte und dass die Haie ihn doch nicht gestellt haben, weil die Bundesagentur für Arbeit sehr skeptisch war ("Sportlicher Misserfolg ist keine Folge des Konjunktureinbruchs"), erschien nebensächlich.

Missverständliche Schlagzeilen wie "Kurzarbeit auf Kufen" standen symbolisch für Unverfrorenheit in einer darbenden Branche, in diesem Fall für die ruhmreichen Kölner Haie. Denen war mit den verpassten Playoffs erst der Erfolg und dann das Geld abhandengekommen.

Jetzt geht die Saison von vorne los, und die Zeiten bleiben schwierig. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und des Koblenzer Instituts für Sportmanagement verlieren Eishockey und Basketball beim Sponsoring an Bedeutung, und auch beim Handball schwindet die vom WM-Titel 2007 ausgelöste Euphorie. Nur der Fußball boomt weiter. Die 18 Erstligisten haben geschätzte 220 Millionen Euro und damit so viel wie noch nie für neue Spieler ausgegeben. Die Klubs anderer Populärdisziplinen tun sich zum Teil schon mit der Aufrechterhaltung des Spielbetriebs schwer, kalkulieren zur neuen Saison aber trotzdem mutig mit stabilen Etats.


Bayers Volleyballfrauen fehlten 50.000 Euro
Die Diskrepanz in der Sportbranche zeigt sich deutlich in Leverkusen, wo gerade das Fußballstadion ausgebaut worden ist. 73 Millionen Euro hat das gekostet. 7500 Zuschauer mehr können jetzt Fußball schauen. Für den Klub lohnt sich das, weil neue Businessplätze und Logen mehr Geld einbringen. In derselben Stadt hat das Basketball-Bundesligateam der Bayer Giants vor einem Jahr mangels Mitteln die Segel gestrichen. In diesem Sommer beschlossen Bayers Bundesliga-Volleyballerinnen, dass sie sich eine weitere Saison in der ersten Liga nicht leisten können. 50.000 Euro sollen gefehlt haben.

Es sind nur Bruchteile der im Fußball üblichen Millionensummen, die für Veränderungen in anderen Bundesligen sorgen. Beim Handball sind die klammen Klubs Tusem Essen und HSG Nordhorn in die zweite Liga zwangsabgestiegen. Die Köln 99ers, deutscher Meister von 2006, haben sich insolvent aus der Basketball-Bundesliga zurückgezogen, genauso die Füchse Duisburg aus der Deutschen Eishockey-Liga. Der TTV Gönnern, zwei Mal Meister und Champions-League-Sieger, kann sich den Spielbetrieb in der Tischtennis-Bundesliga nicht mehr leisten. Die Folgen sinkender Sponsoringzuflüsse zeigen sich interdisziplinär. Nun bangen die Ligen, ob alles noch schlimmer wird.

Die Deloitte-Studie erfragte unter Experten den Deutschen Sportmarketingindex, der die Erwartungen beim Fußball, Handball, Basketball und Eishockey spiegelt. Der Index ist um zehn Prozent gesunken. Die Fußball-Bundesliga wächst, die Prognosen für alles andere sind mau. Nur der Handball-Bundesliga (HBL) geht es vergleichsweise gut. Das Gesamtbudget der 18 Klubs ist in der neuen Saison mit 82 Millionen Euro sogar eine Million höher als zuletzt. Mehr als zwei Drittel eines Vereinsetats in der HBL werden durch Sponsoring abgedeckt. "Aber allein 70 Prozent der Ausgaben sind Spielergehälter", sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, "das ist zu viel."


Sinkende Sponsoringeinnahmen
Wenn das Sponsoring abebbt, kann das nur durch sinkende Personalkosten aufgefangen werden. Die SG Flensburg-Handewitt und der VfL Gummersbach haben bereits einen partiellen Gehaltsverzicht durchgesetzt. Bohmann ist überzeugt, "dass wir mittelfristig nicht darum herum kommen, den Anteil der Lohnkosten zu reduzieren und dass sich jeder Klub eine Eigenkapitaldecke zulegt." Zur Not müsse man die Vereine "zu ihrem Glück zwingen". Bohmann glaubt, einige Klubs würden die Saison mit finanziellen Verlusten beenden.

Jan Pommer, Chef der Basketball-Bundesliga (BBL) ist froh, dass unter Beibehaltung strenger Lizenzvorgaben und trotz der freiwilligen Rückzüge der Teams aus Köln und Nördlingen wieder 18 Teams den Spielbetrieb finanzieren zu können glauben. Anders als vorhergesagt sind die Sponsorgelder nicht um zehn Prozent zurückgegangen, sondern hätten "bisher allenfalls stagniert". Das Gesamtbudget aller 18 Klubs habe sich leicht auf 50 Millionen Euro erhöht, trotzdem spürt Pommer eine Tendenz zum Sparen: "Viele Vereine haben den Spielern geringere Gehälter angeboten." Darüber hinaus gibt es für in Liquiditätsnot geratende Klubs neuerdings einen Sicherungsfonds, in dem die BBL 250000 Euro angelegt hat. Maxime ist, dass sich keine Mannschaft während der Saison abmelden muss. Das wäre schlimm für den Wettbewerb und das Image.


Etats gehen zurück
Mit weniger Teams als bisher startet nur die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). 15 statt 16 Klubs sind es - ohne Duisburg und weil Zweitligameister Bietigheim-Bissingen nicht aufsteigen wollte. Aus den 90 Millionen Euro Gesamtetat von 16 Klubs sind 85 Millionen von 15 Klubs geworden. Eine Eintrübung mag DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke nicht prognostizieren, "aber unser bisheriges Wachstum von fünf bis zehn Prozent pro Jahr ist erst einmal gebremst". Rückgänge beim Sponsoring gleiche man durch gekürzte Spielergehälter aus. Das sei die einzige Stellschraube, sagt Tripcke, mancher Spieler büßte beim Klubwechsel bis zu 30 Prozent ein.

Offizielle Gehaltsbeschränkungen wie der Salary Cap in den USA sind juristisch schwierig. Der Markt muss das selbst regeln. Spannend wird auch, wie das Publikum reagiert. Fast alle Befragten seien sich einig, dass bei Handball, Basketball und Eishockey in der neuen Saison "mit Einbußen bei den Ticketerlösen zu rechnen ist", heißt es in der Deloitte-Studie. Womöglich probiert es doch noch mal ein Sportbetrieb mit einem Antrag auf Staatshilfe. Die Kölner Haie haben in diesen Tagen jedenfalls Post von der Bundesagentur für Arbeit bekommen: eine Einladung zum Infoabend über Kurzarbeit.

 

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