Bietigheimer Zeitung
"Besser hätte ich's nicht erwischen können"
Marco Rentschler über seinen neuen Verein Frisch Auf Göppingen, seine Verletzung und die Lage bei der SG BBM
Marco Rentschler ist vor der Saison von der SG BBM Bietigheim zum Handball-Erstligisten Frisch Auf Göppingen gewechselt. Im BZ-Interview spricht der Rechtsaußen über seinen Kreuzbandriss, Konkurrenz und die Krise bei seinem Ex-Klub.
Wie geht es Ihnen nach dem Kreuzbandriss, den Sie sich Mitte August zugezogen haben?
MARCO RENTSCHLER: Ich bin im Plan, was den Genesungsprozess angeht. Die Operation habe ich gut überstanden, das Knie ist abgeschwollen. In dieser Woche habe ich bereits mit Stabilitätsübungen und leichtem Krafttraining angefangen. Es sieht sehr gut aus.
Bis wann rechnen Sie damit, wieder in den normalen Trainingsbetrieb einzusteigen?
RENTSCHLER: Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht. Ich denke, dass ich vielleicht schon im Januar wieder in der Halle herumspringen kann.
Was geht einem durch den Kopf, wenn man sich zu Beginn der Vorbereitung und kurz nach einem Vereinswechsel so schwer verletzt?
RENTSCHLER: Es hat ja etwas gedauert, bis die Diagnose Kreuzbandriss feststand. Einen dümmeren Zeitpunkt hätte ich mir nicht aussuchen können. Aber ich bin noch jung und habe noch genug Zeit - und werde mir wegen der Verletzung keinen Kopf machen.
RENTSCHLER: Nein, vielleicht wäre mir das Kreuzband in Bietigheim nicht gefatzt. Bisher habe ich in Göppingen sonst aber nur positive Eindrücke gesammelt. Mannschaft, Verein, Umfeld - das ist durchweg positiv. Und wir haben überragende Fans. Das ist noch einmal eine Nummer größer als in Bietigheim. Daheim in der EWS-Arena zu spielen, macht richtig Spaß. Man merkt, dass in Göppingen der Handball den höchsten Stellenwert hat. Auch die Stadt an sich gefällt mir super.
Inwiefern hilft Ihnen der Verein in dieser schwierigen Phase?
RENTSCHLER: Frisch Auf Göppingen gibt mir alle Zeit, die ich brauche, bis ich wieder vollständig fit bin. Sowohl vom Trainer und den Mitspielern als auch von Geschäftsführer Gerd Hofele und den anderen Mitarbeitern der Geschäftsstelle gibt es viel Aufmunterung.
Der für Sie kurzfristig als Ersatz geholte norwegische Rechtsaußen Thomas Christensen hat bisher überzeugt. Machen Sie sich Sorgen um Ihre Perspektive bei Frisch Auf?
RENTSCHLER: Gar nicht. Wenn es gegen Ende der Saison drei Rechtsaußen gibt, wird das gut funktionieren. Konkurrenzkampf schadet nie, sondern spornt nur an. Wir drei werden mit der Situation gut zurechtkommen. Im Endeffekt entscheidet der Trainer, wer spielt. In den vier Wochen, in denen ich unter Magnus Andersson trainiert habe, habe ich nur positive Rückmeldungen von ihm bekommen. Ich denke, er baut auf mich.
Am Mittwochabend hat Göppingen das erste Bundesliga-Derby beim TVB Stuttgart klar für sich entschieden. Was ist in dieser Saison für Frisch Auf möglich?
RENTSCHLER: Um eine Prognose abzugeben, ist es jetzt noch zu früh. Wir sind super gestartet und haben zum Beispiel gegen Kiel eine sehr gute Leistung gebracht. Beim Derbysieg gegen den TVB Stuttgart haben wir zwar nicht unser bestes Spiel gezeigt, aber dennoch am Ende souverän gewonnen. Anfang Dezember sieht man, wo man steht und wohin der Weg geht.
Ausverkaufte Arena, Derbyknistern - ist es nicht bitter, solche Spiele in Zivil anschauen zu müssen?
RENTSCHLER: Natürlich würde man am liebsten auf der Platte stehen oder zumindest auf der Bank sitzen. Schon gegen Kiel ist es mir richtig schwergefallen, draußen zu hocken. Aber das ist nun mal in nächster Zeit meine Rolle. Daran kann ich nichts ändern.
Wie fühlt man sich als junger Spieler, wenn man mit Stars wie Michael Kraus, Manuel Späth und Lars Kaufmann in einer Mannschaft spielt?
RENTSCHLER: Am Anfang ist das schon ein ganz neues Gefühl. Berührungsängste hat man aber keine. Die Jungs machen es einem leicht, sich in die Mannschaft zu integrieren. Sie sind alle super drauf. Besser hätte ich's in der Ersten Liga nicht erwischen können.
Was können Sie von Ihrem schwedischen Rechtsaußen-Kollegen Anton Halén lernen?
RENTSCHLER: Sehr viel. Er ist vom Alter auch nicht so weit weg von mir. Bei allem Konkurrenzkampf, den es auf jeder Position gibt, haben wir ein kollegiales Verhältnis. Ich komme mit Anton sehr gut klar, und wir können uns gegenseitig helfen. Natürlich kann ich mir von so einem Spieler auch viel abschauen.
Ihr Vertrag läuft bis 2017. Was wollen Sie mit Frisch Auf noch erreichen?
RENTSCHLER: Nach der Verletzung geht es zunächst darum, gut wieder hineinzufinden und Sicherheit ins Knie zu bekommen. Dann sieht man weiter, wie die Vorbereitung auf die nächste Saison läuft. Ich will so viel Einsatzzeit bekommen wie möglich. Und natürlich will ich mit Frisch Auf Erfolg haben. Vielleicht kommt ja schon in dieser Saison eine gute Platzierung heraus.
Die SG BBM Bietigheim steckt in der Zweiten Liga in der Krise. Haben Sie eine Erklärung, warum es bei Ihrem Ex-Klub nicht läuft?
RENTSCHLER: Um das zu beurteilen, bin ich wohl schon ein Stück zu weit weg. Es gibt Phasen im Sport, in denen es nicht läuft. Ich habe das letztes Jahr in Bietigheim auch erlebt. Aufgrund der Voraussetzungen war uns aber von Anfang an klar, dass die Bundesliga-Saison mit dem Abstieg enden kann. Ich habe die letzten beiden Heimspiele gesehen, in denen die SG mit Hängen und Würgen drei Punkte geholt hat. Das waren sicher keine Galavorstellungen, aber mit solchen beherzten Auftritten müssen sich die Bietigheimer zurückkämpfen. Spielerische Glanzleistungen werden sie in der nächsten Zeit nicht zeigen. Das ist normal, wenn man im Tabellenkeller steckt. Ich bin guter Dinge, dass sie dort wieder herauskommen.
Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen um die SG BBM noch?
RENTSCHLER: Ich verfolge nach wie vor die Ergebnisse und die Berichte im Internet über die SG. Wenn ich in Bietigheim bin, gehe ich auch in die Halle. Zu meinem Bruder Patrick (Anm. d. Red.: Handballer der SG BBM) und einigen anderen früheren Mitspielern habe ich noch Kontakt, und wir treffen uns auch regelmäßig. Wegen meiner Verletzung bin ich zurzeit auch noch relativ oft in Bietigheim.